Mainz um 1880.

(1) Man durchschaut es nicht gleich, aber man bemerkt es doch: der Maler dieses Bildes hat damals tatsächlich allerneueste Technik für sich genutzt.

Links ausserhalb des Bildes geht nämlich erst seit kurzem, seit 1862, eine Brücke der neuen Eisenbahn über den Rhein, die Mainzer Südbrücke. Die Vorlandbrücke, die über das Rheinvorland an diese Eisenbahnbrücke heranführt, hat der Maler als seinen erhöhten Standort benutzt (ansehen). Dadurch hatte er diesen Überblick über Mainz, wie er an dem flachen Ufer hier sonst nicht erreichbar wäre. Diese Mainzer Südbrücke war erst die zweite feste Verbindung über den Rhein überhaupt. Nur die Kölner Dombrücke von 1859 war früher gebaut, aber auch die war ja damals erst 20 Jahre alt.                                    Ein Klick auf den Text bringt den nächsten Text.
(2) Von rechts fließt hier der Main in den Rhein. Die Ufer waren damals noch weitgehend unbefestigt, die Mainspitze am Bildrand unten wird lediglich durch eine Kiesbank gebildet.

Interessant sind die drei Kähne rechts, die gerade aus dem Main kommen. Sie fahren "mit kaltem Druck" oder "auf sich": sie fahren ganz ohne Antrieb. Nach dem holländischen Wort stevelen nannte man diese Fahrt auch "stiefeln". Diese Technik ist auf den älteren Ansichten des Rheins häufig zu beobachten. Schätzungsweise bis nach dem ersten Weltkrieg oder noch länger wurde z.B. am
Niederrhein noch mit kaltem Druck gefahren (+). Details dazu
sind z.B. auf
"Galerien zu Mainz 1636"

"Stiefeln: Die Fahrt mit kaltem Druck"
Die drei Kähne werden auf ihrer Fahrt gleich von der etwas stärkeren
Rheinströmung erfasst und werden dann weiter nach rechts drehen.
Es sind drei Mainschelche. Man erkennt diesen Schiffstyp in dieser Ansicht an dem dreieckigen Entenbürzel-Heck. Die Form stammt noch aus dem Mittelalter. Sie repräsentiert eine der verschiedenen Techniken, einfache und robuste Schiffsenden herzustellen, wenn
man von einem flachen Boden ausgeht und von senkrecht darauf stehenden Seitenwänden (+). Vorgängerformen dazu
sind z.B. auf
"Mainz 1636"

zu finden und in der
Oberländergalerie auf den

"Galerien zu Mainz 1636"
Mainschiffe nach dieser Bauart sind
im Mittelalter bis Köln und sicher auch noch viel weiter gekommen. Schon wenige Jahre nach diesem Bild hier trifft man diese Form dann nur noch selten.                                                                                                                                                       . . . . ... Klick zu Text (3).
(3) Die vorne fahrenden beiden Mainschelche sind aneinander gekoppelt und fahren gemeinsam. Mit kaltem Druck fahren sowieso alle gleich schnell oder gleich langsam, ausserdem hat man auf diese Weise mehr Besatzung zur Hand. Hier gibt es aber noch einen besonderen Grund dafür, das ist ihre Ladung. Sie tragen gemeinsam eine Plattform. (Beispiel ansehen) Es sind Steinschiffe vom Main, die z.B. Steinplatten aus Steinbrüchen vom Oberlauf des Mains bringen. Mit einer Plattform auf Deckshöhe über zwei Schiffe, wie hier, konnte man natürlich viel größere und viel schwerere Stücke transportieren. Die beiden Schiffe nebeneinander boten dabei auch gößere Stabilität. Auf der flachen Platform läßt sich schon sehr vieles nur mit einfachen Rollen und Keilen bewegen, das erleichtert beim Laden und Entladen.

Der ganz rechts stehende Mast der drei Mainschelche ist der Druckwerkstatt bei der Herstellung dieser Abbildung verrutscht. Er gehört nicht auf den vorderen, sondern auf den rechten, auf den angehängten Kahn. Schiffe ohne Mast sind in der Zeit nämlich ausgesprochen selten. Man brauchte den Mast beim Treideln. Die Treidelleine muß hoch befestigt sein, beispielsweise im Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim ist das nicht korrekt rekonstruiert (ansehen). Man brauchte den Mast um Segel zu setzen beim "Stiefeln" und man brauchte ihn auch beim Laden und Löschen mit einem Mastbaum.       . . . . ... Klick zu Text (4).
(4) Der Segler unten neben der Mainspitze segelt mit dem Strom zu Tal. Die Darstellung seines Segels ist zwar etwas undurchsichtig, er will aber wohl in die Mainmündung. Die drei Steinschiffer jedenfalls verzichten auf solche Unterstützung durch Segel, ihnen reicht die Fahrt, die sie schon mit kaltem Druck, allein mit ihrer Fahrt "auf sich" erreichen.
Links von der Bildmitte fährt ein Personendampfer stark rauchend zu Tal. Diese Schiffe nannte man damals Schnellschiffe oder Expressdampfer. 1880 gab es vier Schiffe dieses Typs. Sie waren für die Linie Köln - Mainz gebaut. Sie hatten unvorstellbare 1000 PS und fuhren damit 15 und 16 km/h gegen den Strom (Frachtschifffahrt heute zw. 8 und 12 km/h). Bemerkenswert an diesen Schiffen war auch die Spezialisierung auf den reinen Fahrgastbetrieb, das war damals nicht selbstverständlich. Auch der große geschlossene Aufbau war keineswegs alltäglich. Oft wurden die Passagiere nur auf Bänken und ganz im Freien befördert. Die Schnellschiffe haben auf späteren Ansichten ihre Radkästen farblich stärker in den Schiffskörper integriert und haben das hier rund dargestellte Dach als
Fahrgastdeck ausgebaut (+). Um die Schnellschiffe
geht es auch auf

"Mainz 1900"

Drüben auf der anderen Rheinseite, wo die vielen Schiffe liegen, ist die Mainzer Reede. Die Schiffe ankern dort, wenn sie auf Ladung oder auf Schlepper warten. Zur Zeit ist die Reede praktisch genauso stark belegt wie auch Jahre später, in der Blütezeit der Schleppschifffahrt (ansehen)
                                                                                                                                              . . . . ... Klick zu Text (5).
(5) Dampfer, die wie drüben auf der Reede ausser den Schornsteinen auch noch Masten hatten zum Segeln, kamen in der Zeit noch
vor. Windkraft war naturgegeben und kostenlos. Traditionell viel es schwer, dieses Angebot zu ignorieren. Die Dampfer waren
damals auch nur unter anderem als Schlepper tätig, meistens haben sie Fracht und Passagiere gefahren (andere Dampfer ansehen).
Die ungewohnt eng zusammenstehenden Schornsteine beim Dampfer drüben hängen mit der Führung der Rauchgase im Kessel
zusammen (+). Etwas über Kessel
gibt es z.B. auf

"Mainz 1900",
und dort auf Text (3)

Die eigentliche Attraktion auf diesem Bild ist aber der Segler in der Bildmitte. Es ist eine "Dorstener Aak" (Zeichnung ansehen).
Diese Schiffsform kommt vom Niederrhein. Die Durchfahrt durch das Binger Riff war zu der Zeit schon 20 m breit. Für die Talfahrt
gab es die letzten 20 Jahre ausser dem Loch auch noch ein zweites Fahrwasser, flacher als das Fahrwasser im Loch, aber 80 m breit.
Wie die drei Mainschelche fährt auch diese Aak mit kaltem Druck zu Tal. Sie verläßt sich dabei aber nicht allein auf den Druck ihres Ladungsgewichtes, sie hat dazu noch Segel gesetzt. Segel waren auf dem engen Wasser der Nebenflüsse seltener, auf dem Rhein
wurden in der Talfahrt aber oft Segel gesetzt. Auf dieser Strecke, hier vor Mainz, nimmt die Strömung die Schiffe beispielsweise mit
gut 4-5 km/h mit sich mit. Der Schiffer konnte damit auch ohne echten Wind schon in seinem eigenen Fahrtwind segeln, im
sogenannten scheinbaren Wind. Er wurde damit schneller als der Strom und vor allem, er wurde damit gut steuerfähig (+). Segeln zu Berg
gibt es z.B. auf

"Galerien zu Mainz 1636",
Treidelgalerie 1,
Trier 1590
zu Text (6).
(6) Direkt hinter der Dorstener Aak liegen am Ufer zwei schwimmende Wasch- oder Badehäuser. Wasserhähne mit fliessendem Wasser gibt es ja noch nicht, da bot das immer strömende klare Wasser des Rheins, siehe Vordergrund, natürlich einen verlockend bequemen Spülvorgang für die Wäsche. Badehäuser erkennt man auch schwach auf der Postkarte aus den 30er Jahren (ansehen, das Vordere dunkel, hinten eines nur als heller Streifen). Auch nach dem Krieg gab es hier ein Schwimmbad (ansehen)

Weiter rechts schließlich die Mainzer Schiffbrücke. Für die Schiffsdurchfahrten mußte sie jeweils geöffnet werden. Bei diesem Bild hier ist da in den nächsten zwanzig Minuten wohl noch einiges zu tun. Ihr Betrieb brauchte über 20 Mann je Schicht und es gab natürlich immer wieder lange Wartezeiten auf dem Wasser und auf der Straße. An der Stelle dieser Schiffbrücke steht deshalb schon fünf Jahre später eine feste Brücke. Die alte Schiffbrücke hat sogar mit ihrem Ende noch Geld gebracht, sie wurde nämlich verkauft, nach Köln. Dort gab es in Köln - Mühlheim bis 1927 eine Schiffbrücke. Auch von Köln nach Deutz kam man mit einer Schiffbrücke.
Die letzte Schiffbrücke am Rhein war die von Koblenz, sie war bis 1945 in Betrieb (1880 auf Dampfbetrieb umgestellt) (+). Ein sehr altes Foto der
Koblenzer Schiffbrücke
ist auf

"Galerie zu Kaub 1930"
zu finden und dort bei
"Blüchers Rheinübergang"
Details (3)
Kaum
vorstellbar, aber sogar die Eisenbahn hat zu der Zeit Schiffbrücken benutzt. Sowohl in Speyer gab es eine Eisenbahnschiffbrücke als auch in Karlsruhe. Beide waren bis 1938 in Betrieb (die von Speyer ansehen).

Mainz 1880
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Text dazu

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